Kunsthistorikerin und Kuratorin, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau - Agniezka Szieradzka
Agnieszka Sieradzka hat Kunstgeschichte studiert. Sie ist eine der Kuratoren der Ausstellung über David Olère. Sie arbeitet an der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau und hat sich lange mit der Arbeit und dem Leben von David Olère beschäftigt.
David Olère war einer der wenigen Gefangenen des Sonderkommandos, der sich entschieden hat, über seine Erlebnisse nach dem Krieg zu berichten. Und der das, was er gesehen hat, aufgemalt hat. Dank dessen können wir uns das vorstellen, was unvorstellbar ist.
Als David nach Hause kam, ist von ihm nichts übrig geblieben außer die Augen, wie sein Sohn Alexander sagte. Er war sehr dürr, er war müde, er konnte nicht essen, er konnte nicht darüber reden, was er gesehen hat, obwohl er fünf Sprachen beherrschte. Dafür hat er gezeichnet. Kurz nach dem Krieg hat er ja eine Serie fertiggestellt, 50 Zeichnungen, und die Pläne der Krematorien mit einer fotografischen Genauigkeit und Präzision gezeichnet.
In diesen Zeichnungen hat er den ganzen Vernichtungsprozess eingefangen. Von der Szene der Selektion in den Umkleiden, die Kremationen der Körper, die Säuberung der Leichen, also all die Szenen, die niemand fotografiert und niemand gefilmt hat. Deswegen ist seine Kunst heute so wichtig für uns. Und ein richtiges Zeugnis. Auf der Basis dieser Zeichnungen, schon in den späteren Jahren, als älterer Mann fing er an zu malen, und zwar diesen riesigen Zyklus von Öl-Gemälden, die sehr groß waren und sehr ausdrucksstark.
Wenn man auf diese großen Bilder schaut, die auf den ersten Blick wie große Fantasien wirken, finden wir hier Details, Elemente, die sich auf tatsächliche historische Realität beziehen, die stattgefunden hat in Auschwitz. Sogar Historiker beziehen sich auf seine Bilder.
Ihm haben wir es auch zu verdanken, dass wir wissen, wie die erste Gaskammer, die provisorisch war, aussah. Das war in Birkenau der sogenannte Bunker eins. David Olère ist der einzige, der das Aussehen dieses Gebäudes dokumentiert hat. Das ist für Historiker heute natürlich auch eine wichtige Quelle.
Diese Bilder sind ein Schrei des Künstlers, der Aufmerksamkeit sucht. Wir sind heute diesen Menschen, die das Konzentrationslager überlebt haben, etwas schuldig. Es ist ihnen Zeit ihres Lebens schwer gefallen, sich zu erinnern, sich zu konfrontieren mit den schrecklichen Ereignissen von damals. Wir müssen uns diesen aber Bildern aussetzen, so schwer diese Kunst auch ist.
Bericht: Julia Riedhammer, Christine Thalmann