19.11.2019,Oswiecim, Auschwitz, Polen,PL,Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau - imago-images / stefan zeitz
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Erinnern als Auftrag

Mehr als 1,1 Millionen Menschen wurden allein im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Eine unvorstellbare Zahl - das sind mehr als eine Million persönliche Geschichten, von denen viele nicht mehr erzählt werden können. Wie kann die Erinnerung an den Holocaust wach gehalten werden, auch wenn es immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gibt?

Wie können die kommenden Generationen an das Thema herangeführt werden?

Die Demokratie, der freiheitliche Rechtsstaat, wird nicht stark sein, wenn sich die Menschen nicht dafür engagieren. Eine Demokratie ohne Demokraten gibt es nicht.

Es ist vor allem die Aufgabe meiner Generation, dass wir uns erinnern, was hier passiert ist und dass wir darüber Bericht erstatten. Auch weil die letzten Zeitzeugen gerade verschwinden.

Die Ereignisse, die hier bis vor 75 Jahren passiert sind, fordern Genauigkeit. So können sich besonders junge Menschen vergegenwärtigen, dass das, was sie heute in verschiedenen Teilen der Welt beobachten, eine Wiederholung ist - auch in Europa.

Erinnerungen sind am spannendsten, wenn sie individuell sind. Wenn wir sehr viele davon sammeln und zeigen, können wir Erinnerung ein bisschen objektivieren. Erinnern heißt Wissen.

Ich bin in einem Haus von Shoah-Überlebenden aufgewachsen, aber ich war mir nicht bewusst, dass ich zur zweiten Generation gehöre.

Es war eine außergewöhnliche Erfahrung, mit meinem Großvater nach Auschwitz-Birkenau zu fahren. Wir wussten, dass dies die letzte Gelegenheit ist.

Ich habe ein Erbe, das von Bedeutung ist, denn ich wurde als Kishka geboren, ich stamme aus einer Familie, die in den Vernichtungslagern ausgelöscht wurde.

Ich glaube, bereits mit fünf Jahren war ich mir über die Existenz der Shoah bewusst. Es gab viele Gespräche, vor allem mit meiner Mutter, darüber, was in der Shoah passiert war.

Die Shoah ist ein Teil unserer Geschichte, womit jeder Jugendliche oder jeder Mensch bei uns in Europa sich auseinandersetzen sollte.

Sowas darf nie wieder vorkommen. Deswegen finde ich Aufklärung sehr wichtig, auch in der heutigen Gesellschaft.

Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, wie wir diesen Teil der Vergangenheit wieder emotional greifbar zu machen. Vor allen Dingen für die jungen Menschen oder die Generationen, die es anscheinend so vergessen haben, dass sie Parteien wie die AfD unterstützen.

Irgendwann habe ich mich gefragt: Wenn ich damals als Nicht-Jude gelebt hätte, was hätte ich gemacht? Diese Frage muss sich heute - mit dem Wissen über Geschichte - jeder beantworten können.