Zeitzeugin - Batsheva Dagan
Autorin: Sie ist geboren ist Lodsch, sie war 19 Jahre alt, klein und zart, als die SS ihre Familie ermordete und Isabella Rubinstajn nach Auschwitz schickte. Dort erkrankte sie an Typhus und Krätze.
Batsheva Dagan: „Und da kam Mengele und es war eine Selektion und wir mussten uns nackt anstellen. Und er ist gestanden mit weißen Handschuhen und mit dem Finger gezeigt nach rechts oder nach links. Und da stand ein Offizier und es ist mir eingefallen ‚Darf ich zurück ins Bett?‘ und wie ich das gesagt habe, hat er gesagt ‚Ja, Fräulein‘ Ho, mich Fräulein zu nennen in Auschwitz. Und ich habe mich zugedeckt und dann hat man meine Krätze nicht gesehen. Denn nur das Gesicht war sauber. Der ganze Körper hat geblutet.“
Autorin: So hat Isabella die Selektion ins Gas überstanden. Eine Cousine hat sie in der Sortierabteilung für Kleider und Schuhe untergebracht. Sie musste die letzten Habseligkeiten der Ermordeten auftrennen, um Schmuck und Wertgegenstände zu suchen.
Batsheva Dagan: „Am Anfang, als ich ein Stück in meiner Hand gehalten habe, war ich sehr traurig und ich habe gedacht: wer hat das getragen? Von wo kommt die Frau? Wir haben Pakete von zehn Blusen, zehn Sweatern, zehn Hosen zum Winterhilfswerk nach Deutschland gesandt.“
Autorin: Oft fanden sich in den Kleidungsstücken auch Brot und Käse oder Wurst, so hat Isabella überlebt. Die Sortierbaracken hießen „Kanada“, denn Kanada galt damals als ein Land, in dem Milch und Honig fließt.
Batsheva Dagan: "In Kanada haben wir über die Freiheit geträumt. Und wir haben gesagt, die Welt wird es nicht glauben, so haben wir gedacht. Ja, es ist schwer zu glauben, dass ein Mensch kann dem anderen sowas antun. Die waren doch Menschen, die Mütter haben sie geboren. Sie waren doch Menschen! Wie sind sie solche Unmenschen geworden?“
Autorin: Isabella ging nach dem Krieg nach Israel, heiratete, bekam zwei Kinder, sie studierte und sie spricht sieben Sprachen
Batsheva Dagan: „Jiddisch, Polnisch, Deutsch, Hebräisch, Englisch, Spanisch, Französisch und Russisch.‘
‚Das ist unglaublich.‘
‚Ich habe mein Französisch im Lager gelernt, in Auschwitz. Ich habe eine Belgierin gefunden und sie war bereit. Ich habe sie ganz einfach gefragt. Comment s’appelle ca? Ich habe die Sprache von Tag zu Tag bereichert. Und das hat mich gefüttert. Französisch war die Sprache meiner Hoffnung. Warum ich suchte für meine Inhalte, für meine Seele etwas was ich beschließe und man befehlt mir nichts. Und da habe ich mir gesucht, etwas was meine Seele füttert: Sprachen. Ich habe im Lager gelernt, Gedichte und Lieder, die Häftlinge verfasst haben.“
Autorin: Isabella Rubinstein wurde zu einer bekannten Kinderpsychologin. Für ihre Erzählungen über die Shoah hat der damalige Ministerpräsident Platzeck sie mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg geehrt.
Batsheva Dagan: „Ich bin Überlebende, aber ich bin auch Psychologin und Dozentin. Und Weil ich Überlebende bin, sagt mein Sohn, Gott hat mich behalten und behütet, ich soll der Welt erzählen. Und das mache ich, aber ich muss ihnen sagen, ich bin zu einem Punkt gekommen, dass ich schweigen muss. Ich habe so viel erzählt. Aber ich muss atmen, ich muss in den Himmel sehen, die Bäume, die Natur. Für mich ist das Leben ein großes, einmaliges Geschenk.“
Autorin: Maria Ossowski